In den besten Händen

Cannes 2021

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in den bestern händen - 2021 - poster
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„Wartezeit 8 bis 10 Stunden. Wir danken für Ihr Verständnis.“ Das steht sinngemäß auf einem handgeschriebenen Zettel in der Unfallstation des Pariser Krankenhauses, wo kurz nacheinander die Zeichnerin Raf und der LKW-Fahrer Yann eingeliefert werden. Die beiden sowie Rafs Lebensgefährtin Julie und die engagierte Pflegerin Kim stellen die Hauptpersonen einer Handlung dar, die mit Humor, Temperament und durchaus realistisch von einer Nachtschicht in der Notaufnahme erzählt, dabei wie mit der Lupe auf den Mikrokosmos des Stadtlebens blickt und Missstände aufzeigt, die dringend einer Lösung bedürfen. Nicht nur in Frankreich.

Beinahe gleichzeitig landen der Lkw-Fahrer Yann und die Comiczeichnerin Raf in der Notaufnahme eines Pariser Krankenhauses. Raf ist gerade gestürzt, ein Moment der Unaufmerksamkeit, vielleicht weil sich ihre Lebenspartnerin Julie von ihr getrennt hat. Wahrscheinlich ist ihr rechter Arm gebrochen. Yann hat bei einer Gelbwestendemo eine schwere Beinverletzung durch herumfl iegende Metallteile erlitten. Die beiden Patienten trennen Welten, aber es dauert nicht lange, und sie lernen sich kennen. Julie eilt Raf zu Hilfe – Trennung hin, Trennung her – und das ist auch bitter nötig, denn Raf ist eine extrem schwierige Person, die allein überhaupt nicht zurechtkommt und sich in der Klinik schon mit allen angelegt hat.Mitten im Getümmel von wartenden Kranken, immer mehr verletzten Demo-Teilnehmern und Angehörigen versucht die Krankenschwester Kim die Ruhe zu bewahren. Nicht leicht, zumal sie heute schon ihre sechste Nachtschicht in dieser Woche absolviert – erlaubt sind maximal drei.
Catherine Corsini wählt ein mutiges Format für ihr unterhaltsames Sozialdrama, das beinahe heiter beginnt und dann immer stärker eine ziemlich direkte Anklage der Arbeitsbedingungen im französischen Gesundheitswesen formuliert: Ihr Film kommt einerseits ziemlich dicht an eine Reportage heran, also an ein dokumentarisches Format – weshalb auch die Rolle der Kim nicht mit einer Schauspielerin, sondern mit einer echten Krankenpflegerin besetzt ist ist. Andererseits nutzt Corsini die Mittel des Dramas und der Komödie, indem sie Kim nicht in den Mittelpunkt der turbulenten Handlung stellt, sondern versucht, alle vier Hauptpersonen gleichwertig zu fokussieren, ihre Verbindungen untereinander offenzulegen und voranzubringen.

Valeria Bruni Tedeschi spielt sie als Ganztagshysterikerin, trotzig und aggressiv, im nächsten Moment um Mitleid bettelnd und voll tiefer Reue. In dieser Grenzsituation – mit großen Schmerzen, allein gelassen in einem überfüllten Krankenhaus und zusätzlich noch in einer Beziehungskrise – würden wahrscheinlich auch viele andere austicken. Doch wie Valeria Bruni Tedeschi diese Nervensäge spielt, so zickig und gemein, dass es kaum auszuhalten ist, zeigt nicht nur ihr großes Talent, sondern auch eine übersprudelnde Spielfreude. Yann, mit dem Raf in der Notaufnahme praktisch sofort aneinanderrasselt, ist ihr dabei ähnlicher, als er es wahrhaben möchte. Pio Marmaï spielt diesen aufrechten Proletarier, für den die Gelbwestendemo nicht nur ein politisches Anliegen, sondern auch ein Ventil für seinen angesammelten Frust ist. Dagegen ist Julie ruhig, vernünftig und besonnen. Marina Foïs spielt sie mit viel Gelassenheit, aber auch ein wenig augenzwinkerndem Humor und einem Hauch von Mütterlichkeit. Im Trubel der Notaufnahme wird sie zu eine Art Schutzengel für alle Beteiligten.

Über allen steht wie ein Fels in der Brandung die leitende Krankenschwester Kim, sehr konzentriert und in professioneller Lässigkeit dargestellt von Aissatou Diallo Sagna, die mit heldenhafter Ruhe für alle und jeden da ist und das Chaos um sich zu dirigieren versucht. Dabei gerät auch sie an Grenzen, so wie ihre Kolleginnen und die Ärzte. Diese Situation, die durch die Straßenkämpfe vor der Tür immer mehr eskaliert, ließe sich auf jede beliebige deutsche Stadt übertragen. Und so wie in Deutschland ist es auch für Kim in Frankreich absehbar, dass sie das alles nicht mehr lange mitmachen kann.

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