La Gomera

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La Gomera - 2019 Filmposter
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Dem Begriff des Whistleblowers kommt im Neo-Noir-Thriller des Rumänen Corneliu Porumboiu Bedeutung im Wortsinn zu. Um einen im Gefängnis einsitzenden Geldwäscher der Drogenmafia frei zu bekommen, soll ein korrupter Polizist aus Bukarest nämlich eine Pfeifsprache lernen. Dies führt ihn auf die Kanaren nach La Gomera. Weil in dieser Geschichte jede Partei – ob gut oder böse - die andere überwacht oder man sich gegenseitig misstraut, soll die Pfeifkommunikation der kriminellen Seite helfen, verschwundenes Geld wieder zu beschaffen.

Wenn ein Film mit Iggy Pops schwungvollem Hit „The Passenger“ beginnt, dann hebt das die Laune schon mal gleich ordentlich. Untermalt wird damit die Ankunft eines Mitte 50-jährigen Mannes per Schiff auf der Kanareninsel La Gomera. Man spürt, dass dieser Mann nicht so recht weiß, was ihn hier erwarten wird. Tatsächlich wirken jene, die ihn abholen, auch nicht sonderlich vertrauenserweckend. Als man ihn an seinem Zielort auf der Insel abliefert, heißt es kurz und knapp: „Das Paket ist angekommen.“ Woher er die zum Begrüßungskomitee gehörende Gilda (Catrinel Marlon), nicht von ungefähr mit einem aufreizend roten Kleid bekleidet, kennt, wird sogleich in einer ersten Rückblende deutlich. Im traurig-tristen und meist verregneten Bukarest spricht die femme fatale ihn, den Inspektor Cristi (Vlad Ivanov), auf der Straße an. Und weil sie weiß, dass man ihn aus einem Auto heraus beobachtet, schmeißt sie sich ihm wie eine gelernte Liebhaberin an den Hals. Niemand käme so auf die Idee, sie würde ihn, den korrupten Polizisten, darum bitten, bei der Wiederbeschaffung verschwundener Millionen ihres inhaftierten Mafiafreundes (Sabin Tambrea) mitzuwirken. Der allerdings sitzt nur, weil die Polizei ihm zuvor Kokain untergejubelt hat.

Die Dinge liegen komplex in dieser verschachtelten Story, in der es trotz des Ernstes der Lage doch auch viele humorvolle Momente gibt, allen voran die Versuche von Cristi beim Erlernen der kanarischen Pfeifsprache El Siblo. Die ist keineswegs eine Erfindung des Regisseurs, sondern diente den Inselbewohnern tatsächlich dazu, um über größere Entfernungen Nachrichten, ungeachtet des Inhalts, zu übermitteln. In Schulen auf La Gomera ist die Pfeifsprache heute sogar Pflichtfach. Angewandt wurde sie 2018 auch in der türkisch-deutschen Filmproduktion „Sibel“ von Çagla Zencirci und Guillaume Giovanetti. Tatsächlich ist die Pfeifsprache in Corneliu Porumboius 2019 in Cannes im Wettbewerb um die Goldene Palme vorgestellten Neo-Noir-Thriller nur ein ironischer Gimmick am Rande, so wie auch vieles andere hier mit einem gewissen Augenzwinkern und als Verweis auf andere Noir-Klassiker goutiert werden darf. Raffiniert ist ganz gewiss, wie der für einige seiner früheren Filme (u.a. „12:08 Jenseits von Bukarest“ (2008), „Police, Adjective“ (2009) und „Der Schatz“ (2015)) in Cannes mit Preisen ausgezeichnete Regisseur „La Gomera“ strukturiert hat und kapitelweise jeweils eine Figur in den Blick nimmt, um nach und nach Details dieses verworrenen Puzzles offen zu legen. Dass die Figuren hier durchweg mit unmoralischen Geschäften befasst sind, darauf weist zum Beispiel die gepfiffene Melodie von Mackie Messer hin. Was man von ihnen jeweils zu halten hat, zu wem sie stehen, gegen wen sie intrigieren und wer letztlich am Ende die Beute bekommt und damit glücklich wird – all dies bleibt bewusst in der Schwebe und wird in all seiner Rätselhaftigkeit von Porumboiu bis zuletzt ausgekostet.