La La Land
Vereinigte Staaten | 2016 | FSK 0
Venedig 2016
Damien Chazelle hat mit seinem Indie-Hit “Whiplash” bereits für rhythmische Begeisterungsstürme gesorgt – und Nominierungen in den wichtigsten Oscar-Kategorien. Sein neuster Coup kündigt sich, nach geschlossen begeisterter Presse, bereits als der Abräumer des neuen Jahres 2017 an: “La La Land” ist ganz großes Kino, ebenso frisch wie nostalgisch, bewegt und bewegend. Selbst wer keine Musicals mag, soviel sei versprochen: Es ist kaum möglich aus dem Film zu kommen, ohne zu tanzen!
Chazelle gelingt es, ein filmisches Genre neu zu beleben, das in den letzten Jahrzehnten nur mehr von Walt Disney Produktionen besetzt schien – dabei erweist er sich als Kenner der großen Erfolge von Gene Kelly Klassikern wie “Ein Amerikaner in Paris”, “Singing in the Rain” oder dem wunderbaren “Band Wagon” mit Fred Astaire. Doch inhaltlich und atmosphärisch bezieht er sich vielleicht am stärksten auf den französischen Meister der pastellfarbenen Melancholie, Jacques Demy.
Es sind die Working Class-Tagträume der “Mädchen aus Rochefort” wie auch der schwelgerische Kummer um die verlorene große Liebe in den “Regenschirmen von Cherbourg”, welche Chazelle in seinem schwungvollen Pastiche miteinander verbindet. Auch die von Justin Hurwitz komponierten Nummern greifen sichtlich unvergessliche Klassiker von Michel Legrand auf, erschaffen aus diesem musikalischen Fundus jedoch selbst einen Score, der sich in die Musical Geschichte einschreiben und mit großer Sicherheit den Oscar für den Besten Soundtrack gewinnen wird. Es ist eben jene Originalität der Hommage, die aus “La La Land” ein wirkliches Kino-Ereignis macht, indem sie, eine verlorene Ära beschwörend, diese gleichzeitig auf authentische Weise für ein neues Publikum erschießt und erfahrbar macht.
Man verbindet jene Zeit ganz intuitiv mit der Traumfabrik, den goldenen Jahren Hollywoods, den großen Leinwandromanzen, die uns heute fast schon lächerlich erscheinen. Doch Chazelle greift die Coolness unserer Sehgewohnheiten auf und führt sie, durch den Schutzraum der Nostalgie, gekonnt hinein ins Schwelgerische.
Wenn bereits in der ersten großen Szene in einem Autobahn Stau die Statisten plötzlich aussteigen, um singend und tanzend das Thema des Films zu etablieren, wandelt sich Widerwille schnell in Verblüffen über die Perfektion der Choreographie, die man, wie die meisten anderen Songs, am liebsten sofort noch einmal sehen möchte.
So trifft die ambitionierte Schauspielerin Mia (Emma Stone) dort das erste Mal auf den puristischen Jazz-Pianisten Seb (Ryan Gosling), und was als Unausstehlichkeit auf den ersten Blick beginnt, entwickelt sich klassischerweise zur großen, leidgeprüften Liebe. Sie wandelt sich von der frustrierten Teilzeit-Barista in den Warner Brothers Studios durch ihn zu einer entschlossenen Autorin, sich die Rollen selbst auf den Leib schreibend – und überzeugt den sturköpfigen Musikliebhaber wiederum, sich seinerseits zu öffnen, um endlich den eigenen Jazz Club aufmachen zu können. Das “Larger than Life” dieser Zukunftsentwürfe entrückt schließlich auch die realistischen Dimensionen ihrer Liebe in die melancholische Bilderwelt der großen Leinwand. Dabei ist es Chazelles größter Verdienst, die Gefühle seiner Protagonisten nie dem Kitsch oder der Unglaubwürdigkeit auszusetzen. Jeder gesungene Vers, jeder Tanz trifft ins Herz – und hier weiß Emma Stone auf erstaunliche Weise noch viel mehr zu bieten als ihr Counterpart Ryan Gosling.
Erneut stellt sich nach “Whiplash” Chazelles Können unter Beweis, das Rhythmische und damit Musikalische des Filmischen selbst sichtbar zu machen, es kompositorisch zu nutzen und die Zuschauer in jenen lebendigen Sog der Bilder mitzureißen.