Nachdem er in Cannes mit seinem neuen Film PARASITE die Goldene Palme gewonnen hat, widmete das Filmfest München Bong Joon Ho eine Werkschau und lud den 49-jährigen Südkoreaner zu einer Masterclass ein. Dort berichtete er von seiner Arbeitsweise und seinen für ihn selbst nicht nachvollziehbaren weltweiten Erfolg.
Er ist ein Meister der feinen Beobachtungen. Alltägliche Geschichten werden von absurden Momenten gebrochen, konsequent verweigert er sich festen Genregrenzen oder Erwartungen. Dabei gilt seine ganze Sympathie den Armen und Ungebildeten, die meist Hauptfiguren in seinen Filmen sind. In PARASITE beschreibt er zum ersten Mal eine reiche Familie. Dass ihm das den Goldenen Löwen einbrachte, damit hatte er nicht gerechnet. Als er wieder nach Hause kam, warteten hunderte Journalisten auf ihn am Flughafen. Doch sein Alltag hat sich auch nach dem großen Erfolg in Cannes nicht geändert. Schon im Flugzeug hat er mit einem neuen Drehbuch begonnen. Wie er überhaupt am liebsten in der Öffentlichkeit schreibt, im Hotel oder im Park. Zuhause fällt ihm nichts ein, da schläft er eher ein. Meistens schreibt er in Cafés, wo er zwei Stunden sitzt und dann zum nächsten Café wechselt. Er beobachtet die Leute, bekommt Gesprächsfetzen mit und manchmal geht davon auch was ins Drehbuch ein oder bringt ihn auf Ideen. Die Idee zu PARASITE ist ihm im Auto gekommen. “Ideen kommen immer aus heiterem Himmel, man muss nur bereit sein, sie festzuhalten.” sagt er. Dass seine Filme oft ungewöhnliche Wendungen haben, ist keine Methode, mit der er sein Publikum überraschen will, sondern es passiert einfach beim Drehbuchschreiben. Wenn ein Film als Komödie beginnt und dann zur Tragödie wechselt, ist das für ihn halt genauso wie im Leben. Es gibt auch bei einer Beerdigung lustige Momente und eine Hochzeit kann verdammt traurig und einsam sein. Es gibt nicht immer nur eine Emotion für eine bestimmte Situation.
Auch THE HOST (2006) ist weit mehr als ein gewöhnlicher Monsterfilm: Wenn ein durch giftige Abfälle mutiertes Riesen-Amphibium Jagd auf Menschen macht, dann mischen sich klassische Abenteuerelemente mit bissiger Gesellschaftssatire, Seitenhiebe auf das US-Militär inklusive. Bong traf damit einen Nerv, sein bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführter Genrezwitter brach in Südkorea alle Rekorde. Dass der Filmemacher sich auch auf intimere Geschichten abseits des Spektakels versteht, das bewies er mit dem preisgekrönte Thrillerdrama MOTHER (2009), das ebenso unterhaltsam wie erschreckend die Ausmaße einer bedingungslosen Liebe demonstriert. “Es zeigt die dunkelste Seite der Menschen.” so der Regisseur. Seine Mutter weigert sich bis heute, mit ihm über den Film zu reden.
Damit endgültig zum Star geworden, verband er bei seinen nächsten beiden Werken gewohnte Qualitäten mit neuem Hollywood-Glanz. In dem auf einer Graphic Novel basierenden SNOWPIERCER (2013) über eine in Eis versunkene Zukunft spielen Größen des Showbusiness wie Chris Evans, Tilda Swinton und John Hurt – von gefälligem Einheitskino dennoch keine Spur: Seine Werke setzen sich kritisch mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Massentierhaltung, sozialer Spaltung und Auswüchsen des Kapitalismus auseinander, ohne dabei den Spaß am Grotesken zu verlieren.