74. Internationalen Filmfestspiele von Venedig

The Shape of Water

The Shape of Water © Venice International Filmfestival 2017

Auch wenn Sally Hawkins also leer ausging, so durfte sie wenigstens in Guillermo Del Toros Genrefilm THE SHAPE OF WATER mitspielen, der den Goldenen Löwen gewann. Wie immer wunderbar ergreifend, ja geradezu bezaubernd, spielt sie die stumme und vereinsamte Elisa, die als  Putzfrau in einem Hochsicherheits-Labor der Regierung arbeitet und dort auf ein Amphibien-Wesen trifft, das hier gefangen gehalten und gefoltert wird. Was auch immer der Geheimagent, großartig gespielt von Michael Shannon, aus dem geheimnisvollen Wesen herauspressen will, kommunizieren tut es jedenfalls nur mit Elisa, die schnell ihre Seelenverwandtschaft erkennt. Del Toro entwickelt daraus eine erotische Version der “Kleinen Meerjungfrau” vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und erzählt in atmosphärischen Einstellungen von der Unterdrückung des Fremden und der Angst vor dem Andersartigen.“

 

Sally Hawkins und Guillermo del Torro PK Venedig 2017

Hatten Spaß: Sally Hawkins und Guillermo del Toro auf der Pressekonferenz

In der Filmgeschichte ist das ‘Beauty and the Beast’-Motiv bisher entweder unter einem phantastischen oder perversen Aspekt verfilmt worden”, so del Toro. Beide Aspekte hätten ihn aber nicht interessiert, bei ihm stehe das Menschliche im Vordergrund. Sein Film sei so ähnlich wie Pasolinis THEOREMA, nur mit einem Fisch, flachste er auf der Pressekonferenz. Als er am Ende den Goldenen Löwen überreicht bekam, war der redselige Dreizentner-Mann nicht nur sichtlich ergriffen, sondern erstmals auch sprachlos.

 

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri 2017

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri © Venice International Filmfestival 2017

Unser uneingeschränkter Hit des Festivals war aber Martin McDonaghs (BRÜGGE SEHEN… UND STERBEN) THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI. Wahrscheinlich liegt es an Frances McDormand, dass man sich in diesem Film gleich zuhause fühlt. Man kommt sich vor wie in einem Werk der Coen-Brüder und muss natürlich an FARGO denken, auch wenn McDormand diesmal keine Polizistin spielt, sondern es mit einem ganzen Police-Department aufnimmt. Weil sie meint, dass die Polizei den Mord an ihrer Tochter nicht nachhaltig aufklärt, mietet sie drei Plakatwände am Ortseingang von Ebbing an, auf denen sie die schleppenden Ermittlungen anprangert und Policeofficer William Willoughby namentlich angreift. Das ist natürlich starker Tobak für die Kleinstadt, die McDonagh im folgenden für uns geradezu filetiert.

Woody Harrelson PK zu Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Läuft neben Frances McDormand zu Hochform auf: Woody Harrelson © Venice International Filmfestival 2017

Dabei zeichnet er ein wütendes Land, dessen Einwohner wohl den Frust von Jahrzehnten in sich aufgenommen haben, und das an jeder Ecke kurz davor steht zu eskalieren. McDonagh glänzt mit seinen Dialogen, die die Stimmung immer auf den Punkt bringen und den Schauspielern, wie sie selbst bekundeten, längst nicht soviel abverlangten wie man meinen könnte. “Wir mussten nur spielen, was im Drehbuch stand”, stapelte Woody Harrelson tief und Frances McDormand wollte ihre Rolle so anlegen wie John Wayne, sie sei sogar breitbeinig gegangen, das wäre nur alles herausgeschnitten worden.

 

Guillermo del Torro mit Palme

Der stolze Preisträger Guillermo del Torro mit seiner Auszeichnung © Venice International Filmfestival 2017

Gute Filme gab es in diesem Jahr zuhauf und die mutige Festivalpolitik, durchaus auch populäre Filme in den Wettbewerb zu laden, ist wohl aufgegangen, was nicht zuletzt die Preisvergabe beweist. Für uns war es eine optimale Mischung von anspruchsvoller Filmkunst und bester Unterhaltung.